Essstörungen sind keine vorübergehende Marotte, sondern ernsthafte Krankheiten, die schwere gesundheitliche Folgen haben können. Die Betroffenen benötigen professionelle Hilfe, um wieder gesund zu werden. Woran man eine Essstörung erkennt, wie sie behandelt wird und wie man am besten mit Betroffenen umgeht, erfahren Sie in diesem Artikel.
Was sind Essstörungen?
Essstörungen sind psychische Krankheiten, bei denen die Gedanken der Erkrankten ständig um ihr Essverhalten und ihr Körpergewicht kreisen. Die Betroffenen essen entweder viel zu wenig, um ihren Energie- und Nährstoffbedarf zu decken oder sie nehmen viel mehr Nahrung zu sich, als sie brauchen. Während gesunde Personen ihr Essverhalten jederzeit wieder umstellen können, schaffen Menschen mit einer Essstörung das in der Regel nur mit professioneller Hilfe.
Es ist nicht einfach, eine Essstörung zu erkennen. Gerade in den westlichen Kulturen sind viele Menschen unzufrieden mit ihrem Körper und ihrem Gewicht. Die Grenzen zwischen einem stark kontrollierten Essverhalten und einer Essstörung verlaufen fließend. Das gilt auch für das Überessen: Es gibt viele Menschen, die essen, weil sie sich etwas Gutes tun oder Stress abbauen wollen, ohne dass dies krankhaft ist.
So erkennen Sie eine Essstörung
Eine Essstörung beherrscht den Tagesablauf der Betroffenen und hat Priorität in ihrem Leben. Manche versuchen, die Kalorien, die sie beim Essen aufgenommen haben, durch Erbrechen, intensiven Sport, Medikamente und andere Maßnahmen wieder loszuwerden. Die meisten Menschen mit einer Essstörung wollen ihr verändertes Essverhalten verbergen und verheimlichen ihre Essstörung.
Ein weiteres Kennzeichen von Essstörungen ist, dass die Betroffenen zutiefst unzufrieden mit ihrem Körper sind und diesen häufig verzerrt wahrnehmen. Essgestörte mit starkem Untergewicht finden sich beispielsweise noch viel zu dick, wenn sie sich im Spiegel betrachten.
Essstörungen können in Verbindung mit anderen psychischen Krankheiten, wie Depressionen, Angststörungen oder Zwangsstörungen auftreten. Ob die Essstörung die Ursache der anderen Erkrankungen ist oder umgekehrt, ist nicht bekannt.
Habe ich eine Essstörung?
Diese Frage kann Ihnen nur ein*e Ärzt*in nach einer sorgfältigen Diagnostik beantworten. Sie können die folgenden sechs Fragen jedoch nutzen, um festzustellen, ob Sie gefährdet sind.
- Denke ich sehr viel über Essen und mein Essverhalten nach?
- Hängt mein Selbstwertgefühl stark von meiner Figur oder meinem Gewicht ab?
- Esse ich lieber allein und unbeobachtet und/oder esse ich heimlich?
- Esse ich manchmal viel zu viel und habe dabei das Gefühl die Kontrolle zu verlieren?
- Übergebe ich mich nach großen Essensmengen?
- Bin ich besorgt, wenn ich mit dem Essen nicht aufhören kann?
Wenn Sie eine oder mehrere dieser Fragen mit „Ja“ beantworten, sollten Sie mit einem Arzt oder einer Ärztin darüber sprechen.
Formen von Essstörungen
Man unterscheidet verschiedene Formen der Essstörungen. Zu den häufigsten gehören:
- Magersucht (Anorexia nervosa)
- Bulimie (Ess-Brech-Sucht)
- Binge-Eating-Störung
Bei vielen Patient*innen lässt sich die Essstörung nicht eindeutig einer dieser Formen zuordnen, weil sie sowohl Symptome der einen als auch einer anderen Essstörung zeigen. Man spricht dann von „Mischformen“ oder einer nicht näher bezeichneten „Essstörung“. Darüber hinaus kann sich eine Form in ein andere entwickeln, wie beispielsweise Magersucht oder Binge-Eating in eine Bulimie.
Magersucht (Anorexia nervosa)
Magersucht wird auch Anorexie oder Anorexia nervosa genannt. Bei der Magersucht handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die die Gesundheit der Betroffenen gefährdet und sogar zum Tod führen kann. Menschen mit einer Magersucht verlieren sehr viel Gewicht oder sie halten ihr Untergewicht. Gewöhnlich beginnt die Magersucht im Jugendalter. Meistens erkranken Mädchen kurz vor, während oder nach der Pubertät sowie junge Frauen an einer Magersucht. Seltener tritt die Krankheit bei Jungen, Männern oder erwachsenen Frauen im mittleren Alter auf. Ältere Personen erkranken in der Regel nicht an einer Anorexia nervosa.
Die Betroffenen leiden unter der tiefsitzenden Angst, zu dick zu werden. Die Angst vor dem „Dickwerden“ treibt sie dazu, selbst bei Untergewicht noch weiter abzunehmen. Eine der Ursachen hierfür ist ein verzerrtes Körperbild vieler Magersüchtiger: Obwohl sie untergewichtig sind, empfinden sie sich als zu dick und unförmig.
Um ihr jeweiliges Zielgewicht zu erreichen, reduzieren Menschen mit Magersucht ihre Kalorienzufuhr so stark, dass sich der Organismus in einem dauerhaften Hungerzustand befindet. Daneben entsteht auch ein Mangel an wichtigen Nährstoffen. Unterernährung und Nährstoffmangel bewirken, dass der Stoffwechsel und viele Körperfunktionen aus dem Gleichgewicht geraten.
Viele an Magersucht Erkrankte treiben exzessiv Sport, um noch mehr Kalorien zu verbrennen. Einige Magersucht-Betroffene lösen bei sich selbst Erbrechen aus oder nehmen Abführmittel und andere Medikamente, um die Aufnahme von Nahrungskalorien zu verhindern. Man spricht hier vom sogenannten „Purging-Verhalten“.
Symptome bei Magersucht
- An Magersucht Erkrankte sind auf ihr Körpergewicht und ihre Figur fixiert.
- Sie sind ständig auf Diät, nehmen viel ab oder haben bereits viel abgenommen.
- Sie vernachlässigen andere Interessen und soziale Kontakte.
- Menschen mit Magersucht planen ihren Tagesablauf meist genau.
- Trotz einer sehr schlanken Figur halten sich Magersüchtige für zu dick (Körperbild-Verzerrung).
- Selbstkontrolle ist für Magersucht-Betroffene wichtig.
- Sie wiegen sich mehrmals täglich und begutachten ihre Figur (Checking Verhalten).
- Bei längerer Unterernährung geht das Hungergefühl verloren.
- Um Kalorien zu verbrennen, treiben einige Magersucht-Erkrankte exzessiv Sport.
Wenn Angehörige oder Freunde auf die Gewichtsentwicklung besorgt reagieren, versuchen manche Magersüchtige ihre Figur und die Symptome ihrer Erkrankung zu verbergen, indem sie beispielsweise sehr weite Kleidung tragen, oder es vermeiden in Gesellschaft zu essen.
Auffälliges Essverhalten bei Magersucht
An Magersucht-Erkrankte verändern ihr Essverhalten und entwickeln Essrituale, wie zum Beispiel:
- Sie vermeiden hochkalorische, fetthaltige oder kohlenhydrathaltige Nahrungsmittel.
- Sie stochern in den Mahlzeiten, nehmen kleine Bissen zu sich und essen langsam.
- Sie rechnen den Kaloriengehalt von Mahlzeiten aus.
- Sie wiegen alle Nahrungsmittel ab, bevor sie sie zubereiten und essen.
- Sie verwenden Light-Produkte, Süßstoffe und Fettersatzstoffe.
- Sie verwenden Medikamente, Nikotin oder anderen Stoffe, um den Appetit zu zügeln
- Sie verändern den Rhythmus ihrer Mahlzeiten.
- Sie trinken viel vor den Mahlzeiten, um den Magen zu füllen.
- Sie trinken wenig, weil ein trockener Mund das Essen erschwert.
Atypische Magersucht
Auch Normal- oder Übergewichtige können unter einer Magersucht leiden, wenn sie sehr viel Gewicht in kurzer Zeit verlieren. Man spricht dann von einer atypischen Magersucht. Häufig hatten die Personen vorher Übergewicht.
Gesundheitliche Folgen durch Magersucht
Magersucht kann bleibende gesundheitliche Schäden verursachen. Hierzu gehören unter anderem:
- Muskelschwund
- brüchige Knochen
- Haarausfall
- verstärkte Körperbehaarung (Lanugo)
- ausbleibende Monatsblutung
- Unfruchtbarkeit
- Abwehrschwäche
- Eine Magersucht kann tödlich enden. Tatsächlich gehört die Magersucht zu den psychischen Erkrankungen mit den höchsten Sterberaten.
Bulimie (Ess-Brech-Sucht)
Bulimie ist eine psychische Erkrankung. Wenn Menschen mit Bulimie das Gefühl haben, zu viel gegessen zu haben, lösen sie Erbrechen aus, um die Nahrung wieder loszuwerden. Daher wird die Krankheit auch „Ess-Brech-Sucht“ genannt.
Anders als Menschen mit Magersucht streben Bulimie-Erkrankte kein Untergewicht an. Aber ähnlich wie Magersüchtige ordnen sie ihr gesamtes Essverhalten dem Ziel unter, ihre Traumfigur zu erreichen. Dazu führen sie strenge Diäten durch und treiben häufig exzessiv Sport.
Typisch für die Bulimie ist, dass die Betroffenen immer wieder Essanfälle haben, bei denen sie unkontrolliert in kurzer Zeit große Mengen essen. Nach diesen Essanfällen fühlen sich Menschen mit Bulimie schuldig und als „Versager“. Um zu vermeiden, dass sie durch die Essanfälle an Gewicht zunehmen, greifen Bulimie-Erkrankte zu drastischen Maßnahmen, wie:
- mechanisches Auslösen von Erbrechen
- Missbrauch von Brechmitteln
- Missbrauch von Abführmitteln
- exzessiver Sport
- extremere Diäten
- Hungern
Symptome bei Bulimie
Von Bulimie Betroffene leiden an Essanfällen, in denen sie in kurzer Zeit unkontrolliert viel Nahrung aufnehmen und sich anschließend erbrechen, um die Nahrung wieder loszuwerden. Nach den Essanfällen fühlen sich die Betroffenen schuldig. Das Erbrechen kann diese Schuldgefühle lindern und den Betroffenen das Gefühl geben, die Kontrolle wiederzuerlangen. Es ist aber andererseits ebenfalls mit Scham verbunden.
Eine Bulimie ist häufig schwer zu erkennen, weil die Betroffenen in der Regel Normalgewicht oder sogar Übergewicht haben und sowohl die Essanfälle als auch das Erbrechen geschickt verbergen. Häufig treten folgende Symptome auf:
- Kontrollverlust beim Essen: Essanfälle
- selbst herbeigeführtes Erbrechen
- verzerrte Selbstwahrnehmung
- Angst, zu dick zu werden
- tägliche Gewichtskontrolle
- Missbrauch von Brech- und/oder Abführmitteln
- Missbrauch von anderen Arzneimitteln, die die Gewichtsabnahme fördern sollen
- exzessiver Sport
- strenge bis extreme Diäten
- Karies und Schwielen an den Fingern (durch häufiges Erbrechen)
- starke Gewichtsschwankungen
Folgen der Bulimie
Bei einer Bulimie kann neben dem Nährstoffmangel auch das häufige Erbrechen zu gesundheitlichen Schäden führen. Hierzu gehören:
- Zahnschäden durch den häufigen Kontakt mit Magensäure
- Herzrhythmusstörungen und Herzmuskelschwäche
- Nierenschäden
- Krankheiten der Speiseröhre
- Knochenbrüchigkeit
Binge-Eating (Esssucht)
Bei einem Binge-Eating-Syndrom, auch Esssucht genannt, haben die Betroffenen wiederkehrende Essanfälle, bei denen sie in kurzer Zeit große Mengen an Nahrung verzehren. Während des Essanfalls verlieren Menschen mit einem Binge-Eating-Syndrom die Kontrolle über ihr Essverhalten. Nach einem Essanfall schämen sich die Betroffenen in der Regel wegen des Kontrollverlustes.
Im Unterschied zu Bulimie-Erkrankten versuchen Menschen mit Binge-Eating-Syndrom nicht die großen Kalorienmengen, die sie während eine Essanfalls aufgenommen haben, loszuwerden, indem sie Erbrechen auslösen oder andere Maßnahmen ergreifen. Daher haben Personen mit Binge Eating-Syndrom häufig Übergewicht. Einige Esssüchtige schaffen es jedoch ihr Normalgewicht mit kontrolliertem Essen zwischen den Anfällen zu halten.
Symptome für Binge-Eating
Bei Binge Eating sind folgende Symptome typisch:
- Essanfälle/unkontrolliertes Essen
- unregelmäßige Ernährung
- negative Einstellung zum eigenen Körper/Gewicht
- veränderte Wahrnehmung in Bezug auf Hunger- und Sättigungsgefühl
- Gewichtsschwankungen
- Gewichtszunahme
- Übergewicht
Die Diagnose Binge-Eating-Syndrom gilt als gesichert, wenn Essanfälle gemeinsam mit mindestens drei dieser Symptome auftreten:
- schnelleres Essen als gewöhnlich
- Essen ohne Hunger
- Beenden der Mahlzeit erst bei unangenehmem Völlegefühl
- Betroffene essen allein und unbeobachtet, weil sie sich wegen der Essensmenge schämen
- Betroffene empfinden häufig Selbstekel, sind niedergeschlagen oder fühlen sich nach Essanfällen schuldig.
Körperliche Folgen bei Übergewicht
Starkes Übergewicht kann viele körperliche Erkrankungen begünstigen. Hierzu gehören beispielsweise:
- Herz-Kreislauferkrankungen
- Diabetes mellitus
- Fettstoffwechselstörungen
- Gicht
- Krampfadern
- Gelenkschmerzen
- Schäden am Skelett und Bewegungsapparat
- Einschränkung der Beweglichkeit bis hin zur Geh-Unfähigkeit
Psychosoziale Folgen des Binge-Eatings
Die Essanfälle lösen bei den Binge-Eating-Betroffenen Schuldgefühle aus. Sie schämen sich für ihr Verhalten und empfinden Selbst-Ekel. Die Erkrankten versuchen daher ihre Essanfälle zu verbergen.
Menschen mit Binge Eating-Syndrom und Übergewicht schämen sich auch für ihren Körper. Dieses Schamgefühl kann durch negative Reaktionen aus der Umwelt verstärkt werden und dazu führen, dass sich die Binge-Eating-Betroffenen sozial isolieren. Bewegung und Sport, die die Folgen der Esssucht abmildern könnten, werden von den Erkrankten mit Übergewicht häufig nicht nur wegen körperlicher Probleme vermieden, sondern auch weil sie sich ihres Körpers schämen.
Häufigkeit und Bedeutung von Essstörungen
Essstörungen gehören zu den häufigsten chronischen psychischen Störungen bei Erwachsenen. Sie entwickeln sich meist in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter. Frauen und Mädchen sind weit häufiger von Essstörungen betroffen als Männer und Jungen.
- Wenn man eine Erhebung zu einem bestimmten Zeitpunkt durchführt, leiden zu diesem Zeitpunkt etwa 4 von 1000 Frauen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren an Magersucht.
- Etwa 15 von 1000 Menschen (meist Frauen, aber auch Männer) erkranken im Laufe ihres Lebens an Bulimie.
- An einem Binge-Eating-Syndrom erkranken im Verlauf eines Jahres rund 16 von 1000 Frauen und 8 von 1000 Männern. Frauen erkranken etwa doppelt so häufig am Binge-Eating Syndrom. Das Binge-Eating die häufigste Essstörung bei Männern.
Ursachen und Risikofaktoren für Essstörungen
Essstörungen haben selten nur eine Ursache. Meistens tragen mehrere Risikofaktoren zu der Erkrankung bei. Ursachen und Risikofaktoren sind bei Magersucht und Bulimie trotz einzelner Unterschiede ähnlich. Bei der Esssucht (Binge-Eating) sind die Ursachen noch unbekannt. Da eine Essstörung in eine andere übergehen kann und auch häufig Mischformen von Essstörungen auftreten, lassen sich auch Ursachen und Risikofaktoren nicht immer eindeutig einer Form der Essstörung zuordnen.
Ursachen und Risikofaktoren für Magersucht und Bulimie
- Zur Hauptrisikogruppe für die Entwicklung einer Magersucht oder Bulimie gehören heranwachsende Mädchen und junge Frauen.
- Ein schwaches Selbstwertgefühl und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper.
- Ein hohes Anpassungsbedürfnis an gesellschaftliche Schönheitsideale.
- Der Wunsch nach Anerkennung: Zu Beginn einer Diät erhalten die Betroffenen häufig viel Zuwendung und Lob, das sie bestärkt.
- Familiäre Einflüsse und Vorgaben: Magersucht tritt häufiger in Familien auf, in denen Leistung und gesellschaftliche Normen sehr hoch bewertet werden.
- Genetische Ursachen: Insbesondere bei Magersucht kann die erbliche Veranlagung eine wichtige Rolle spielen.
- Perfektionistische Menschen mit großer Leistungsbereitschaft und einem hohen Anspruch an ihre Selbstkontrolle, haben ein erhöhtes Risiko für Magersucht.
- Gestörtes Essverhalten und anhaltende Magen-Darm-Probleme als Baby oder Kleinkind können das Risiko für eine Magersucht erhöhen.
- Frauen, die in ihrer Jugend übergewichtig waren, haben ein erhöhtes Risiko an Bulimie zu erkranken.
- Menschen, die bereits an anderen psychologischen Störungen oder Erkrankungen, wie Ängstlichkeit oder Depressivität erkrankt sind, haben auch ein erhöhtes Risiko für Essstörungen.
- Traumatische Erfahrungen können bei manchen Menschen Essstörungen auslösen.
- Auf Menschen, die in der Unterhaltungs- oder Modebranche arbeiten oder ein Leben in der Öffentlichkeit führen, besteht ein besonders hoher Druck sich gängigen Schlankheitsidealen anzupassen.
- Eine weitere bedeutende Risikogruppe sind Menschen, die Leistungssport oder Wettkampfsport treiben oder klassisches Ballett tanzen. Bei bestimmten Sportarten sind ein geringes Körpergewicht und sehr schlanker Körper entscheidend für den sportlichen Erfolg, wie beispielsweise bei Turnerinnen, Eisläuferinnen, Skispringern und Jockeys.
Ursachen für Binge-Eating (Esssucht)
Es ist noch nicht geklärt, was Binge-Eating verursacht. Wie bei anderen Essstörungen spielt die Einstellung zum eigenen Körper eine große Rolle. An Esssucht erkrankte Menschen können ein normales Körpergewicht haben, übergewichtig sein oder unter Fettleibigkeit (Adipositas) leiden. Die Essanfälle werden häufig durch Emotionen ausgelöst. Mit dem Essen verarbeiten Menschen mit Binge-Eating-Syndrom negative Gefühle, wie:
- Angst
- Wut
- Trauer
- Stress
- Langeweile
- Ärger
Viele Binge-Eating Betroffene fühlen sich nach einem Essanfall schuldig, sind niedergeschlagen und ekeln sich vor sich selbst.
Risikofaktoren für das Binge-Eating-Syndrom
- Das Geschlecht: Es erkranken doppelt so viele Mädchen und Frauen an einer Esssucht als Jungen und Männer.
- Strenge Diäten können Essanfälle auslösen und zur Entwicklung einer Esssucht beitragen.
- Ein hohes Risiko für Binge Eating besteht für stark übergewichtige Jugendliche und Kinder, die einer intensiven stationären diätischen Behandlung bedürfen, wobei nicht klar ist, ob die Esssucht bereits vor der Behandlung bestand.
Podcast
Instagram & Co. – Wie Social Media Kinder und Jugendliche in die Magersucht treibt
Was Soziale Medien wie TikTok oder Instagram mit Magersucht bei Kindern und Jugendlichen zu tun haben, beschreibt Dr. Rebecca Knoche in dieser Folge. Sie erklärt unter anderem, welche Rolle der Algorithmus und sogenannte Influencer*innen spielen, weshalb sich junge Menschen von vermeintlicher Perfektion eher beeinflussen lassen als Erwachsene und wie sich im Netz Gruppendynamiken entwickeln, die Erkrankungen wie Magersucht befeuern.
So werden Essstörungen behandelt
Essstörungen haben verschiedene Ursachen und sind individuell unterschiedlich. Die Behandlung wird auf jede Patientin und jeden Patienten individuell abgestimmt.
Eine Essstörung zu behandeln ist meist langwierig. Auch nach einer erfolgreichen Therapie kann es zu Rückfällen kommen. Daher ist die Nachsorge wichtig. Selbsthilfegruppen können die Betroffenen, dabei unterstützen Rückfälle zu vermeiden oder bei Rückfällen frühzeitig Hilfe zu suchen.
Diagnostik bei Essstörungen
Um eine Essstörung zu diagnostizieren, erfolgt zunächst ein ausführliches Gespräch zwischen Ärzt*in oder Psycholog*in und Patient*in. Damit sich die Ärzt*in oder Psycholog*in ein genaues Bild von der individuellen Erkrankung der Patient*in machen kann, werden auch Fragebögen, zum Beispiel zum Essverhalten, eingesetzt. Ergeben sich im Gespräch Hinweise auf weitere psychologische Erkrankungen, veranlasst der*die Ärzt*in oder Psycholog*in weitere psychologische Gespräche und Untersuchungen.
Im Anschluss an das Gespräch werden die wichtigsten körperlichen Daten erfasst. Hierzu gehören:
- Größe
- Gewicht
- Puls
- Blutdruck
- Pubertätsstatus bei Kindern und Jugendlichen
Was ist der BMI?
Bei der Diagnostik von Essstörungen und der Bewertung des Körpergewichts (Untergewicht, Normalgewicht oder Übergewicht?) spielt der Body Mass Index (BMI) eine zentrale Rolle. Er wird aus dem Körpergewicht und der Körpergröße ermittelt.
BMI-Grenzen bei Erwachsenen:
- BMI <16 kg/m2 hochgradiges Untergewicht
- BMI 16 bis 16,99 kg/m2 moderates Untergewicht
- BMI 17 bis 18,49 kg/m2 leichtes Untergewicht
- BMI 18,50 bis 24,99 kg/m2 Normalbereich
- BMI 25 bis 29,99 kg/m2 Übergewicht
- BMI 30 bis 34,99 kg/m2 starkes Übergewicht/Fettleibigkeit (Adipositas) Grad I
- BMI 35 bis 39,99 kg/m2 Fettleibigkeit (Adipositas) Grad II
- BMI ≥ 40 kg/m2 Fettleibigkeit (Adipositas) Grad III
Sie möchten wissen, ob Sie Normalgewicht haben oder möglicherweise an Über- oder Untergewicht leiden? Hier können Sie Ihren BMI berechnen
Erwachsene mit einem BMI von unter 15 kg/m2 sollten sich in ein Krankenhaus einweisen lassen, denn bei einem solchen Untergewicht besteht Lebensgefahr.
Achtung: Bei Kindern werden BMI-Perzentile (altersabhängige BMI-Grenzen) genutzt. Hier geht's zum BMI-Rechner für Kinder
Ärztliche Untersuchungen
Nachdem die Körperdaten erfasst wurden, erfolgt eine allgemeine körperliche Untersuchung. In einer neurologischen Untersuchung werden die wichtigsten Nervenfunktionen geprüft.
Je nach Krankheit und den bisherigen Untersuchungsergebnissen folgen weiterführende Untersuchungen, um den körperlichen Gesundheitszustand, Folgen der Essstörung sowie Begleiterkrankungen zu erkennen. Hierzu gehören unter anderem:
- Blutuntersuchungen
- Untersuchung des Herz-Kreislauf-Systems
- Untersuchung der Schilddrüse
- Untersuchung der Mundhöhle und der Speicheldrüsen
- Untersuchung des Bauchraums und der Bauchorgane
- Knochendichte-Prüfung
- Lungenfunktionsprüfung
Therapie von Essstörungen
Essstörungen können ambulant mit regelmäßigen Behandlungsterminen oder stationär in einer Klinik behandelt werden. Eine Zwischenform ist die Therapie in einer Tagesklinik, zu der man sich tagsüber in der Klinik aufhält, aber den Abend zuhause verbringt. Was im Einzelfall in Frage kommt, richtet sich nach der Schwere der Erkrankung und dem allgemeinen Gesundheitsstatus der Patientin bzw. des Patienten.
Die Therapie bei Essstörungen verfolgt folgende Ziele:
- Die Patient*innen sollen ein gesundes Essverhalten lernen und es dauerhaft beibehalten.
- Erreichen eines normalen und stabilen Körpergewichts bei den Patient*innen.
- Behandeln psychischer Probleme, die mit der Essstörung verbunden sind.
- Behandeln von Begleiterkrankungen.
- Behandeln der körperlichen und seelischen Folgen der Essstörung.
- Die Patient*innen bei sozialen Problemen, Konflikten in der Familie oder in der Partnerschaft unterstützen.
Die Behandlung von Essstörungen besteht aus verschiedenen Bausteinen:
Die Psychotherapie gilt als wichtigster Baustein. In Einzel- oder Gruppensitzungen besprechen Erkrankte mit Therapeut*innen ihre Probleme. Bei Kindern und Jugendliche wird eine Familientherapie empfohlen (s.u.). In der Körperbildarbeit sollen negative Einstellungen gegenüber dem eigenen Körper erkannt und abgebaut werden. Es gilt, die positiven Aspekte des eigenen Körpers wieder zu entdecken.
MEDICLIN Seepark Klinik: Spezialklinik für Essstörungen
Die MEDICLIN Seepark Klinik hat sich auf die Behandlung von Essstörungen wie Magersucht, Bulimie, Binge-Eating und Adipositas spezialisiert. Hier werden Patient*innen sowohl akut als auch rehabilitativ behandelt. Zur Aufnahme in die Klinik gibt es keine Gewichtsunter- oder Obergrenzen. Somatische Begleiterkrankungen werden mit hoher internistischer Fachkompetenz mitbehandelt. Neben der klassischen stationären Therapie sind auch ambulante oder teilstationäre Therapien möglich.
„Eine Essstörung ist wie ein Eisberg: Ein Drittel ist sichtbar, zwei Drittel liegen unter Wasser. Wir versuchen, die Themen, über die sich die Essstörung aufgebaut hat, zu ergründen und zu bearbeiten.“
Weitere therapeutische Angebote ergänzen die Psychotherapie, wie beispielsweise:
- Ergo-, Kunst- und Musiktherapie
- Entspannungstraining
- therapeutisches Reiten
- therapeutische Theatergruppen
- kreatives Schreiben
In der Ernährungstherapie wird beim therapeutisch begleiteten Essen ein normales Essverhalten trainiert. Im Löffeltraining, beispielsweise, geht es darum, mithilfe eines Löffels zu lernen, wie groß eine normale Essensportion ist. In der Ernährungstherapie lernen Personen mit Essstörung auch, Hunger und Sättigung wieder bewusst wahrzunehmen. Die Patient*innen erfahren außerdem wie eine gesunde und ausgewogene Ernährung aussieht.
Die Bewegungstherapie verfolgt bei den verschiedenen Essstörungen unterschiedliche Ziele.
- Menschen mit Binge-Eating-Syndrom und Übergewicht werden motiviert, sich mehr zu bewegen, um einerseits gesund abzunehmen und andererseits über die Bewegung und den Sport wieder ein besseres Körpergefühl zu bekommen.
- Magersucht-Erkrankte mit Untergewicht oder Bulimie-Erkrankte, die exzessiv Sport getrieben haben, dürfen in den ersten Therapiewochen keinen Sport treiben, um eine weitere Gewichtsabnahme zu verhindern und um ihren zu starken Bewegungsdrang wieder in normale Bahnen zu bringen.
Medikamente kommen nur in Einzelfällen zur Behandlung von Essanfällen bei Bulimie und Binge-Eating-Störung zum Einsatz.
Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen
Magersucht, Bulimie und Binge-Eating beginnen häufig im Kindes- und Jugendalter. Die Ursachen und Symptome der Essstörungen sind in etwa die gleichen wie bei Erwachsenen.
Essstörungen können die körperliche und psychische Entwicklung stören
Gerade in der Entwicklungsphase kann eine falsche Ernährung schwerwiegende, gesundheitliche Folgen haben. Zu diesen Folgen gehören beispielsweise Wachstumsstörungen, Zahnschäden schlechte Knochenqualität und hormonelle Störungen.
Essstörungen im Kindes- und Jugendalter können darüber hinaus wichtige soziale und psychische Reifungsprozesse empfindlich stören. Schließlich kann die Schul- und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen unter der Essstörung leiden.
Eine frühzeitige Behandlung von Essstörungen kann diese Folgen abwenden oder zumindest abmildern. Tatsächlich stehen auch die Chancen auf eine Heilung umso besser, je früher Kinder und Jugendliche mit einer Essstörung behandelt werden.
Besonderheiten bei der Therapie von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen
Kinder und Jugendliche mit Essstörungen sehen häufig nicht ein, dass sie krank sind. Sie erkennen nicht, wie riskant ihr Essverhalten ist und verweigern daher eine Therapie. Wenn sich das betroffene Kind hartnäckig gegen eine nötige Therapie sträubt, müssen die Eltern die Behandlung gegen den Willen des Kindes durchsetzen.
Auch für Kinder und Jugendliche gibt es ambulante, tagesklinische und stationäre Therapien. Eltern können maßgeblich zum Erfolg der Essstörungs-Behandlung bei ihrem Kind beitragen, indem sie sich aktiv daran beteiligen. Tatsächlich gilt die Familientherapie bei Essstörungen im Kindes- und Jugendalter als besonders erfolgsversprechend. Zusätzlich sollten die Eltern Schulungen zum Thema besuchen. Je nach Therapieeinrichtung und mit Einverständnis der Therapeut*innen und des Kindes können Eltern auch an therapeutisch begleiteten Mahlzeiten teilnehmen, um zu lernen, wie sie ihr Kind zuhause unterstützen können.
Die Essstörung des Kindes belastet Eltern schwer. Der Austausch mit anderen Eltern in einer Selbsthilfegruppe kann helfen, diese Belastung zu verarbeiten. Das gilt auch für andere Angebote, die es speziell für Angehörige von Menschen mit Esstörung gibt.
Nachsorge für einen anhaltenden Therapieerfolg
Bei einer Essstörung verinnerlichen die Patient*innen bestimmte ungesunde Denk -und Verhaltensmuster. Während der Therapie in einer Klinik oder einer Reha-Einrichtung lernen die Patient*innen, wie sie diese Muster erkennen und kontrollieren.
Häufig reicht die Zeit jedoch nicht aus, um die Denk- und Verhaltensmuster der Essstörungen völlig zu verlernen. Im Alltag und in belastenden Situationen können diese Muster wieder Oberhand gewinnen und zu Rückfällen führen. Das hat nichts mit einer Willensschwäche der Patient*innen zu tun, sondern ist in vielen Fällen ein Teil des langwierigen Krankheitsverlaufs von Essstörungen.
Daher wird Patient*innen eine systematische Nachsorge nach der Therapie empfohlen.
Ziele der Nachsorge
Die Nachsorge soll Folgendes leisten:
- die Erfolge der Therapie stabilisieren
- Rückfälle früh erkennen und behandeln
- Stärken und Selbstvertrauen der Betroffenen fördern
- die Betroffenen bei der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung unterstützen
- das Risiko für andere psychische Störungen vermindern
Formen der Nachsorge
Die Nachsorge kann ambulant in qualifizierten psychologischen Praxen, Ambulanzen entsprechender Kliniken oder in Tageskliniken erfolgen. Zusätzlich den professionellen Angeboten können Betroffene in Selbsthilfegruppen ihre Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig unterstützen.
Neben den ambulanten Angeboten gibt es auch die Nachsorge in betreuten Wohngruppen, in denen sich die Patient*innen im täglichen Austausch miteinander befinden und sich gegenseitig Rückhalt im Alltag geben (s. Infobox).
Wie die Nachsorge im Einzelfall am besten abläuft, besprechen die Patient*innen mit ihrer*m Ärzt*in vor dem Ende der Therapie. Bei Jugendlichen sind auch die Eltern an diesem Gespräch beteiligt. Auch nach Abschluss der Therapie können sich Patient*innen und Angehörige über Nachsorgeangebote beraten lassen. (siehe: Wo bekomme ich Hilfe?)
Wohngruppen
In Wohngruppen leben mehrere Patient*innen zusammen und werden therapeutisch betreut. Der Alltag in der Wohngruppe verläuft weitgehend normal. Die Mitglieder der Wohngruppe besuchen die Schule, absolvieren eine Ausbildung oder gehen arbeiten. Die Wohngruppen helfen den Patient*innen, Verhaltensweisen, die sie in der Therapie gelernt haben, im Alltag umzusetzen, zu festigen und weiter auszubauen.
Für die Aufnahme in eine Wohngruppe müssen die Patient*innen meist Bedingungen erfüllen. Die können sich je nach Einrichtung unterscheiden.
- Meistens wird verlangt, dass die Bewerber*innen auf eigenen Wunsch in die Wohngruppe wollen
- Sie sollten ein gewisses Maß an Selbstständigkeit aufweisen.
- Sie sollten einen Mindest-Body-Mass-Index (BMI) erreicht haben und bereit sein, regelmäßig zu essen. Bei Kindern und Jugendlichen gelten BMI-Perzentile. (Siehe „Was ist der BMI?)
- Darüber hinaus sollten sie weder unter einer Suchterkrankung oder einer Psychose leiden und nicht selbstmordgefährdet sein.
Wie lange der Aufenthalt in einer Wohngruppe dauert, hängt von der Einrichtung ab. Die Kosten für eine therapeutische Wohngruppe können vom Jugend- oder Sozialamt oder der Rentenversicherung je nach Fall teilweise oder vollständig übernommen werden.
Kann man Essstörungen vorbeugen?
Essstörungen entstehen, wenn verschiedene Risikofaktoren zusammenkommen: Zum Beispiel eine entsprechende genetische Veranlagung mit einer Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, dem Wunsch nach Anerkennung und einem Schicksalsschlag als Auslöser.
Einige der Risikofaktoren von Essstörungen, wie die genetische Veranlagung aber auch Schicksalsschläge, lassen sich nicht beeinflussen. Einigen anderen Risikofaktoren von Essstörungen kann man aber entgegenwirken.
Tipps zur Vorbeugung von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen
Das können Eltern tun, um einer Essstörung bei ihren Kindern vorzubeugen:
- In Bezug auf das Essverhalten und das Selbstwertgefühl ein positives Vorbild sein.
- Das Selbstwertgefühl der Kinder durch Lob und Zuwendung stärken.
- Gespräche anbieten und den Kindern zuhören.
- Zeigen, dass sie sich mit ihren Kindern verbunden fühlen und für diese da sind.
- Den Kindern Raum für eigene Entscheidungen lassen.
- Ein selbstbestimmtes Essverhalten unterstützen.
- Möglichst nicht mit Essen trösten oder belohnen.
- Ein bewusstes, aber nicht zu striktes Ernährungsverhalten pflegen.
- Häufig miteinander kochen und gemeinsam essen.
- Möglichst keine Fertiggerichte oder Fast Food essen.
Umgang mit Betroffenen
Wenn Sie sich sorgen, dass Ihr Kind oder eine andere Person in Ihrem Umfeldan einer Essstörung leidet, sollten Sie mit der Person darüber sprechen. Das kann jedoch schwierig sein: Menschen, die an einer Essstörung leiden, ist die Erkrankung peinlich und sie versuchen sie daher zu verbergen. Spricht man sie auf ihr Essverhalten oder andere Symptome an, versuchen sie, die Sorgen ihrer Gesprächspartner zu beschwichtigen, weichen einem Gespräch aus oder reagieren aggressiv.
Tipps: So kommen Sie ins Gespräch
Folgende Empfehlungen können Ihnen dabei helfen, ins Gespräch mit dem*r Betroffenen zu kommen:
- Sagen Sie der Person, dass Ihnen bestimmte Veränderungen an ihr Sorgen machen, und formulieren Sie hierzu Ich-Botschaften z. B. „Ich mache mir Sorgen, weil du nur noch wenig Kontakte pflegst.“
- Sprechen Sie in erster Linie die Verhaltensänderungen der betroffenen Person, die Ihnen auffallen an, z. B. vernachlässigte Hobbys, Niedergeschlagenheit, Bedrücktheit oder sozialer Rückzug.
- Gewicht und Essverhalten sollten nicht im Mittelpunkt des Gesprächs stehen.
- Üben Sie keinen Druck auf die Person aus: Üben Sie keine Kritik an der Figur, dem Gewicht und dem Essverhalten der Person. Machen Sie ihr keine Vorwürfe.
- Eine Diagnose können nur Ärzt*innen stellen, daher sollten Sie in dem Gespräch auch keine Diagnose nennen, sondern die oder den Betroffenen davon überzeugen, Fachleute aufzusuchen.
- Auch gut gemeinte Ratschläge helfen den Betroffenen nicht.
Wie verhalte ich mich, wenn der oder die Betroffene keine Hilfe will?
Insbesondere in der Anfangsphase der Essstörung erkennen die Betroffenen häufig nicht, dass sie krank sind. Daher weigern sie sich auch, professionelle Hilfe zu suchen. Anders als bei Notfallbehandlungen in kritischen Situationen, die unter Umständen auch gegen den Willen der Betroffenen erfolgreich durchgeführt werden können, hängt der nachhaltige Therapieerfolg bei einer Essstörung von der Einwilligung und der aktiven Mitarbeit der Betroffenen ab. Vom ersten offenen Gespräch über die Essstörung bis zur Bereitschaft der Betroffenen Hilfe anzunehmen, kann viel Zeit vergehen.
- Haben Sie Geduld.
- Geben Sie dem*r Betroffenen das Gefühl für ihn oder sie dazu sein, egal, ob er oder sie Hilfe annimmt oder nicht.
- Machen Sie immer wieder Gesprächsangebote und fragen Sie den oder die Betroffene, wie es ihm*r geht.
- Schlagen Sie den Besuch einer Beratungsstelle, einer psychotherapeutischen oder ärztlichen Praxis vor.
- Helfen Sie dem*r Betroffenen bei der Suche nach Informationen.
- Begleiten Sie den oder die Betroffene*n zu Beratungsstellen, Ärzt*innen oder Psychotherapeut*innen.
- Erkennen Sie kleine Fortschritte an und würdigen Sie sie. So bestärken Sie den oder die Betroffene*n auf seinem oder ihrem Weg.
- Freuen Sie sich bewusst und gemeinsam mit dem*r Betroffenen über positive Dinge und Erlebnisse, die nichts mit der Essstörung zu tun haben.
Wann ist die Essstörung ein Notfall?
In extremen Fällen kann sofort Hilfe nötig sein: Falls die Essstörung in einem fortgeschrittenen Stadium ist und die betroffene Person einen schwer kranken Eindruck macht, sollten Sie sofort Hilfe suchen. Das gleiche gilt, wenn Betroffene Selbsttötungsabsichten äußern oder ein entsprechender Verdacht besteht. Rufen Sie im Notfall auch gegen den Willen des*r Betroffenen den Rettungsdienst 112.
Wo bekomme ich Hilfe?
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Infotelefon zu Essstörungen: 0221-89 20 31
Sprechzeiten: Montag-Donnerstag: 10 - 22 Uhr / Freitag-Sonntag: 10 - 18 Uhr
Beratung für Betroffene und Angehörige ANAD e.V.
Beratungsstellen in Ihrer Nähe finden:
Experten-Interview
Fragen an Dr. Rebecca Knoche, Chefärztin der Klinik für Akutpsychosomatik Kinder und Jugendliche und der Rehabilitationsklinik für Kinder-, Jugend- und Familienpsychosomatik und Psychotherapie an der MEDICLIN Seepark Klinik in Bad Bodenteich (Niedersachsen)
Die Pubertät ist das Alter mit dem höchsten Risiko für die Entwicklung einer Essstörung. Gleichzeitig ziehen sich viele Teenager von ihren Eltern zurück und wehren deren Einmischung in ihr Leben ab. Was können Eltern tun, wenn sie den Verdacht haben, dass ihr Teenager unter einer Essstörung leidet, dieser das aber vehement verneint. Haben Sie in diesem Fall Empfehlungen? Welches Verhalten der Eltern wäre Ihrer Ansicht nach kontraproduktiv?
Knoche: Eltern sollten zu einem geeigneten Zeitpunkt (nicht im Konflikt oder im Stress) das Gespräch suchen. Außerdem wäre es gut, mit dem Kind zum Kinder- oder Hausarzt zu gehen und dort gemeinsam die Sorgen zu besprechen. Sollte die Sorge berechtigt sein, kann auch der*die Ärzt*in auf die Hilfsmöglichkeiten hinweisen, ggf. unabhängig von den Eltern. Manchmal fällt es Jugendlichen leichter, sich Personen außerhalb des familiären Umfeldes zu öffnen. Kontraproduktiv ist es, das Essverhalten des*der Jugendlichen stark kontrollieren zu wollen, da sich dann häufig die familiären Konflikte verschärfen.
Übergewicht schadet der Gesundheit von Kindern. Diäten können andererseits Essstörungen auslösen. Wie können Eltern ihren übergewichtigen Kindern helfen, ein normales Körpergewicht zu erreichen, ohne dass diese in Gefahr geraten, eine Essstörung zu entwickeln?
Knoche: Ein wichtiger Punkt zur Reduktion von Übergewicht ist ein regelmäßiges Sportangebot (im Verein) und mehr Bewegung im Alltag. Häufig verhindern lange Zeiten des Medienkonsums die Alltagsbewegung, deshalb sollten Medien maßvoll und altersangepasst eingesetzt werden. Außerdem helfen regelmäßige und idealerweise gemeinsame Mahlzeiten, Heißhungerattacken zu vermeiden. Die Kinder lernen dann wieder nach Hunger uns Sättigung zu essen und sie können leichter auf ungesunde Snacks zwischendurch verzichten.
Pro-Ana-Foren werden in den Medien immer wieder diskutiert. Was ist darunter zu verstehen? Welchen Einfluss können diese Foren auf die Entwicklung und den Verlauf einer Essstörung haben?
Knoche: In diesen Foren kommt es zu Vergleichen von essgestörten Pat*innen untereinander. Die daraus resultierende Konkurrenz führt häufig zur Verstärkung der essgestörten Symptomatik und zur Verschlechterung des psychischen und physischen Zustandes. Da die Pat*innen häufig sozial isoliert sind, haben sie jedoch das Gefühl der Gemeinschaft, aus der es ihnen schwer fällt, sich wieder zu lösen.