Angststörungen wie soziale Phobien oder Panikstörungen sind ernsthafte psychische Erkrankungen, die das Leben vieler Menschen beeinflussen. Die Betroffenen erfahren intensive Ängste und begleitende körperliche Symptome, die in der Regel so stark sind, dass sie den Alltag erheblich beeinträchtigen. Wie Angststörungen entstehen, welche Formen es gibt und wie die Erkrankung erfolgreich behandelt werden kann, lesen Sie in diesem Artikel.
Was ist Angst?
Herzklopfen, feuchte Hände oder Zittern – Angst in unterschiedlicher Form und Ausprägung hat wohl jeder von uns schon einmal verspürt. Angst gehört fest zu unserem Gefühlsleben und ist grundsätzlich eine sinnvolle und wichtige Emotion. Sie warnt uns nämlich vor Gefahren und macht auf Bedrohungen von außen sowie Störungen von innen aufmerksam.
Angst wird jedoch dann zum Problem oder zu einem Krankheitssymptom, wenn sie – mitunter losgelöst von einem konkreten Anlass – anhaltende seelische, körperliche, zwischenmenschliche oder berufliche Probleme verursacht.
Wann wird Angst zur Störung?
Von einer Angststörung spricht man dann, wenn die Angst
- unangemessen stark und / oder lang anhaltend ist
- ohne ausreichenden Grund, d.h. ohne wirkliche Bedrohung auftritt
- nicht mehr kontrolliert, bewältigt oder ausgehalten werden kann
- die Lebensqualität und Bewegungsfreiheit deutlich einschränkt
- Leid oder Folgekrankheiten (Depression etc.) verursacht
- Beziehungen und Partnerschaften ernsthaft stört oder gefährdet
- zu ernsten beruflichen Problemen, etwa langfristiger Arbeitsunfähigkeit führt
Oft entwickelt sich eine ausgeprägte Erwartungsangst, eine „Angst vor der Angst“, die die Betroffenen immer stärker beeinträchtigt oder sogar lähmt.
Typisch ist ein zunehmendes Vermeidungs- und Rückzugsverhalten. Die Betroffenen vermeiden zwischenmenschliche Kontakte, was bis zur Isolation führen kann.
Manchmal entsteht eine verstärkte Abhängigkeit von Partner*innen oder Angehörigen, die durch ständige Anwesenheit und Begleitung Sicherheit sowie Beruhigung vermitteln sollen.
Oft versuchen Betroffene, sich selbst zu behandeln, zum Beispiel mit Alkohol, Medikamenten oder Drogen. Es droht eine körperliche und psychische Abhängigkeit.
Eine weitere mögliche Folge ist, die Angst mit sogenannten Überkompensationsversuchen zu bekämpfen und fast zwanghaft immer wieder angstauslösende Situationen zu suchen, bspw. im Extremsport.
Angstanfälle verbergen sich häufig hinter körperlichen Symptomen und werden dann häufig zunächst nicht erkannt bzw. falsch diagnostiziert und behandelt. Oft werden Betroffene immer wieder untersucht, ohne dass eine organische Ursache der Beschwerden gefunden wird.
Unbehandelt werden Angststörungen häufig chronisch. Die Angst verselbstständigt sich. Für Betroffene und deren Angehörige kann die Erkrankung die Lebensqualität dann erheblich mindern.
Wie häufig sind Angststörungen?
Angststörungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. In Deutschland leiden rund 15 Prozent der 18 bis 79-Jährigen darunter, Frauen sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer. Eine Rolle spielen wahrscheinlich Erziehungs- und Sozialisationsunterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Zahl der Betroffenen ist in der Altersgruppe der 18 bis 34-Jährigen am höchsten.
Symptome einer Angststörung
Emotionale Symptome
- Hilflosigkeit, Ratlosigkeit und Überforderung
- Mangel an Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit
- Nervosität und innere Unruhe
- Reizempfindlichkeit
- Erwartungsängste: die sogenannte Angst vor der Angst
- Stimmungsschwankungen, Resignation, Bedrückung bis hin zu Depressionen
- Unfähigkeit, sich zu entspannen
- Ermüdung, Erschöpfung und Schlafstörungen
- Ein erhöhtes Bedürfnis, Angst zu vermeiden, verursacht manchmal ein ausgeprägtes Kontroll- und Überwachungsverhalten, bin hin zu Zwangshandlungen.
- Gefühle der Unwirklichkeit, des Neben-sich-Stehens, der Beengung und Unfreiheit
Kognitive Symptome
- Betroffene nehmen die Dinge und Geschehnisse um sich herum regelmäßig als Gefahr und Bedrohung wahr.
- Manche führen innere Monologe wie „Ich schaffe das nicht und werde es nie schaffen“.
- erhöhte Sorgenbereitschaft und pessimistisches Denken
- Befürchtung, sich zu blamieren, die Kontrolle über sich zu verlieren, hilflos ausgeliefert zu sein, verrückt zu werden oder zu sterben.
- Die körperliche Kampf- / Fluchtreaktion führt außerdem zu erhöhter Wachsamkeit, die Aufmerksamkeit wird auf die bestehende oder vermutete Gefahrensituation gelenkt.
Es kann zu Konzentrationsstörungen, Ablenkbarkeit und Vergesslichkeit kommen.
Körperliche Symptome
Angstzustände gehen häufig mit körperlichen Beschwerden einher, die der oder die Betroffene nicht mit dem Gefühl Angst in Zusammenhang bringt. Oft wird ein Arzt aufgesucht, der jedoch keine organische Ursache für die Beschwerden finden kann, was die Verunsicherung noch verstärkt.
Typische körperliche Symptome im Zusammenhang mit Angst sind
- dumpfer Kopfdruck und Benommenheitsgefühle, Schwindel, Schwank- bzw. Unsicherheitsgefühl
- Hautblässe (Gesichtsbereich) oder Neigung zum Erröten
- Ohrenrauschen oder sonstige Ohrgeräusche
- Sehstörungen (z.B. Flimmern vor den Augen)
- Zittern bzw. allgemeines Schwächegefühl
- Muskelanspannung bis hin zu Muskelschmerzen, Muskelzuckungen und Tics
- diffuse Missempfindungen der Haut (z.B. Kribbeln, Brennen, Reißen, Stechen)
- Schweißneigung oder Schweißausbrüche, Gänsehaut, Kälteschauer
- Druck-, Enge- und Beklemmungsgefühle in der Brust, Herzklopfen, Herzjagen, Herzstolpern bzw. Extraschläge, erhöhter oder auch niedriger Blutdruck
- Gefühl der Atemnot, beschleunigte Atmung bzw. Hyperventilation
- Übelkeit, Sodbrennen, Völlegefühl, diffuser Magendruck
- Enge- bzw. Würgegefühl im Hals („Kloß“), manchmal mit Schluckbeschwerden
- Appetitlosigkeit oder auch Anfälle von Heißhunger
- Blähungen, Magen- und Darmkrämpfe, Neigung zu Durchfall und Verstopfung
- Harndrang mit vermehrtem und häufigem Wasserlassen
- Nachlassen von sexuellem Verlangen, sexuelle Funktionsstörungen
Verhaltenssymptome
- Bei einer Angststörung entsteht oft ein Vermeidungsverhalten. Das kann sich auf bestimmte angstauslösende Situationen oder Dinge / Personen begrenzen, aber auch viele andere Lebensbereiche umfassen.
- Viele Betroffene ziehen sich weitgehend von sozialen Kontakten, äußeren Anforderungen und unbekannten Situationen zurück.
- Manche zeigen ein hilfesuchendes Verhalten: Sie klammern sich an Sicherheit und Schutz vermittelnde Personen. Sie gehen nur noch in Begleitung aus dem Haus, oder müssen immer ein Notfallmedikament dabei haben.
- Auch nervöses, unruhiges und reizbares bis aggressives Verhalten kann eine Folge sein. Es kann zu ausgeprägter Rast- und Ruhelosigkeit sowie unablässigem Aktivitätsdrang bis hin zu sogenanntem kontraphobischem Verhalten kommen: Angstbesetzte Situationen oder Handlungen werden übermäßig gesucht, um die bestehende Angst zu verleugnen.
Angst hat immer vier Anteile:
Begleit- bzw. Folgekrankheiten einer Angststörung
Angststörungen treten häufig mit anderen psychischen Erkrankungen auf. Diese bestehen neben oder im Zusammenhang mit der Angststörung oder sind eine Folge bzw. Reaktion darauf, wie
- Depressionen
- Körperliche Störungen
- Missbrauch bzw. die Abhängigkeit von Medikamenten oder Alkohol
Wie entstehen Angststörungen?
Bei Angststörungen wirken meist mehrere Faktoren zusammen. Folgende Ursachen können dabei eine Rolle spielen:
Psychosoziale und sozioökonomische Faktoren:
- starke Belastungen oder traumatische Erfahrungen in der Kindheit,
- länger anhaltende unsichere Lebenssituationen wie fehlende Partnerschaft, mangelnde soziale Unterstützung oder eine unsichere berufliche Situation
Erziehung:
- ein in der Kindheit erfahrener abweisender / vernachlässigender oder auch ein überbehütender Erziehungsstil,
- Mobbing in Kindheit und Jugend
Kognitive Entwicklung:
Fehlerhafte Lernprozesse in der Entwicklung können später zu erhöhter Angstbereitschaft führen und dazu, dass Situationen fehlinterpretiert werden. Bei der Panikstörung missinterpretieren Betroffene beispielsweise harmlose Veränderungen ihrer Körperfunktionen als Anzeichen einer ernsthaften körperlichen Erkrankung.
Psychodynamische Konflikte:
- Ablösungskonflikt von den Eltern
- Persönliche Bindung durch Hochzeit oder durch Geburt eines Kinde
- Dominanzkonflikt in Ehe / Partnerschaft, zu Schwiegereltern, Eltern, Kindern usw.
- Perspektivkonflikt bzgl. Arbeit, Wohnort, Ausbildung, vor allem zu Prüfungszeiten
- Macht- / Konkurrenzkonflikte mit Chef*in, Vorgesetzten, Kolleg*innen etc.
- Verlust oder Trennung von einer ggf. ambivalent geliebten Person
- Perspektivkonflikt durch Tod / Krankheit nahestehenden Personen oder eigene Krankheit
- Sinnkonflikt in Beziehung oder Beruf, wenn ursprüngliche Erwartungen nicht mehr erfüllt werden und ein Festhalten daran die persönliche Entwicklung deutlich blockiert
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell gibt Aufschluss über die Verletzlichkeit eines Menschen und das damit verbundene Risiko, an einer psychischen Erkrankung zu leiden.
Angst kann mit einer allgemeinen Anspannung und Stress zusammenhängen. In Phasen erhöhter Anspannung im Leben, viel Arbeit, Streit, Veränderung der Lebensumstände durch Geburt eines Kindes, Umzug oder Krankheit, können alltägliche und eigentlich banale Stressoren, wie das Fallenlassen einer Tasse oder plötzliches Klingeln des Telefons, einen Angstanfall auslösen. Viele Betroffene erleben ihren ersten Panikanfall in einer solchen Situation.
Jedoch kann auch bei einem niedrigen Anspannungsniveau die Schwelle für einen Angstanfall durch einen starken Stressor, wie den Tod eines nahestehenden Menschen oder eine Ehekrise, überschritten werden.
Bereits erlebte Angstanfälle sowie wiederholte Ängste vor bestimmten Situationen oder Anforderungen können dazu führen, dass das allgemeine Anspannungsniveau dauerhaft erhöht ist. Es entsteht eine „Erwartungsangst“, durch die schon schwache Stressoren einen Angstanfall auslösen können.
Formen der Angst
Panikstörung und Panikattacke
Bei einer Panikstörung treten schwere Angstanfälle plötzlich und scheinbar ohne äußerlichen Anlass und nicht vorhersehbar auf, was den Betroffenen oder die Betroffene stark verunsichert.
Bei einer Panikstörung kommt es zu starken körperlichen Symptomen. Das führt dazu, dass die eigentlich dahinter stehende Angst oft nicht erkannt wird.
Manche Betroffene lassen sich immer wieder körperlich untersuchen, um eine befürchtete Erkrankung auszuschließen.
Panikattacke: Definition & Symptome
Als Panickattacke wird ein einzelner, plötzlich einsetzender, fast überfallsartiger Angstanfall bezeichnet. Panikattacken können unerwartet und scheinbar ohne Auslöser auftreten. Sie können aber auch als Reaktion auf eine bestimmte Situation auftreten, z. B. bei Menschenansammlungen, im Supermarkt oder in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Panikattacken beginnen häufig im jungen Erwachsenenalter. Frauen sind häufiger betroffen. Die Anfälle dauern wenige Minuten bis eine halbe Stunde an, brechen relativ plötzlich aus und klingen allmählich wieder ab.
Die Symptome einer Panikattacke können sich von Person zu Person unterschiedlich stark äußern.
Symptome der Panikattacke:
- Herzrasen, Herzklopfen
- Engegefühl in der Brust
- Atemnot
- Schweißausbrüche
- Übelkeit, Bauchschmerzen oder Durchfall
- Trockener Mund
- Schwindel
- Kribbeln oder Taubheit in Armen und Beinen
- Starke Erschöpfung als Folge der Panikattacke
Treten Panikattacken immer wieder auf, spricht man von einer Panikstörung.
Symptome der Panikstörung
Eine Panikstörung äußert sich durch exzessive Angstattacken, die wie aus heiterem Himmel kommen oder an bestimmte Situationen gebunden sind. Folgende Symptome können dabei auftreten:
- Gefühl der Unsicherheit und des Kontrollverlustes
- Benommenheit, Schwindel, Bewusstseinsveränderung, Eindruck des Unwirklichen
- Enge-, Beklemmungs- und Erstickungsgefühl, Atemnot, Druck auf der Brust
- Schwitzen, Hitzewallungen, Kälteschauer
- Taubheits- oder Kribbelgefühle, Missempfindungen, Muskelverspannungen und -schwäche
- Trockener Mund, Übelkeit, Brechreiz, Magen-Darm-Beschwerden
- Furcht, sich zu blamieren, verrückt oder ohnmächtig zu werden oder zu sterben
- Entwicklung von Erwartungsängsten und „Angst vor der Angst“
- Vermeidung bestimmter Situationen oder Orte, an denen schon einmal Panikattacken aufgetreten sind, Neigung zu Rückzug
Generalisierte Angststörung
Eine generalisierte Angststörung zeichnet sich durch lang anhaltende und ausgeprägte Sorgen und Befürchtungen aus. Diese betreffen verschiedene Lebensbereiche, etwa Familie, Partnerschaft, Beruf oder die finanzielle Situation. Die Ängste treten nicht anfallsartig auf, sondern die Betroffenen sind ständig angespannt, beunruhigt oder besorgt. Wird eine generalisierte Angststörung nicht behandelt, kann sie chronisch werden.
Symptome der generalisierten Angststörung
- Ständige Ängstlichkeit, Sorgenbereitschaft, Befürchtungen jeglicher Art ohne ausreichende Begründung
- Merk- und Konzentrationsstörungen, Grübeln, Schlafstörungen
- Nervosität, Ruhelosigkeit, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit
- Ablenkbarkeit, Unfähigkeit sich zu entspannen, erhöhte Reizempfindlichkeit
- Leichte Ermüdbarkeit oder Erschöpfung
- Körperliche Angstsymptome wie Zittern, Übelkeit, Schwindel, Atembeschwerden, Herzrasen oder -stolpern, Durchfall, verstärktes Schwitzen, Muskelverspannungen
Phobische Ängste / Phobien
Eine Phobie bezeichnet Ängste in bestimmten Situationen oder vor bestimmten Personen, Objekten oder Tieren – auch, wenn diese eigentlich ungefährlich sind.
Diese Ängste treten immer wieder auf, obwohl die Betroffenen wissen, dass es sich um harmlose, alltägliche Situationen oder Objekte handelt und die damit verbundene Angst also nicht gerechtfertigt ist.
Sie können die Angst nicht direkt kontrollieren. Bestimmte Dinge oder Situationen werden vermieden, was dazu führt, dass die Angst weiter besteht.
Agoraphobie
Die Agoraphobie ist die am weitesten verbreitete Form der Angsterkrankung. Menschen mit einer Agoraphobie haben Angst vor Situationen, in denen es für sie vermeintlich keine Fluchtmöglichkeit gibt, ein sicherer Ort nicht direkt erreichbar ist oder in denen man durch einen Angstanfall peinliches Aufsehen erregen könnte.
Die Agoraphobie beginnt meist im frühen Erwachsenenalter, wenn Selbständigkeit und Verantwortung wachsen, und verläuft oft chronisch. Frauen leiden häufiger darunter als Männer.
Betroffene werden immer unselbständiger, resignativer und von ihrer Umgebung und/oder schutzgebenden Bezugspersonen abhängiger. Wer unter dieser Form einer Angststörung leidet, vermeidet typischerweise alle angstbezogene Situationen sowie Alleinsein. Auch Panikattacken können hinzukommen.
Symptome der Agoraphobie
- Angst vor öffentlichen Plätzen, Straßen, Brücken etc.
- Angst vor Menschenmengen und in Warteschlangen (z.B. im Kaufhaus, öffentlichen Verkehrsmitteln, Konzerte etc.)
- Angst bei Reisen über weitere Entfernungen von zu Hause
- Angst bei Fahrten im Aufzug, Auto, Bus, Zug oder Flugzeug (wenn keine direkte Fluchtmöglichkeit besteht)
- Vermeidung der angstbezogenen Situationen oder zunehmende Abhängigkeit von Hilfspersonen und Hilfsmitteln, etwa Notfallmedikamenten
- in Konfrontation mit den angstbezogenen Situationen häufig vegetative Angstsymptome: trockener Mund, Schweißausbruch, Zittern, Herzrasen, Atemnot
- Furcht, die Kontrolle zu verlieren oder sich zu blamieren, den Verstand zu verlieren, den Ängsten hilflos aus geliefert zu sein, Katastrophendenken
Soziale Phobie
Menschen mit einer sozialen Phobie haben eine dauerhafte und übermäßige Furcht gegenüber anderen Menschen. Sie fürchten sich davor, sich lächerlich zu machen, zu versagen oder kritisiert zu werden.
In leichteren Fällen beschränkt sich das auf konkrete, nachvollziehbare Situationen: Examensangst, Furcht vor öffentlichen Ansprachen oder Auftritten.
Aber auch alle normalen zwischenmenschlichen Aktivitäten können bei einer sozialen Phobie beeinträchtigt sein, wie beispielsweise Essen gehen, telefonieren, Betreten eines Ladens, jemanden ansprechen.
In schweren Fällen wird jeder soziale Kontakt vermieden. Ausschlaggebend für die Betroffenen ist, dass Dritte sie beobachten und ihr Verhalten oder Aussehen negativ beurteilen oder geringschätzen könnten.
Die soziale Phobie beginnt meistens im Alter zwischen 20 und 30. Frauen und Männer sind ungefähr gleich häufig betroffen. Die Krankheit verläuft in zwei Dritteln aller Fälle chronisch, ansonsten wellenförmig. In günstigen Fällen kommt bessert es sich spontan, wenn die Person in ihrer Persönlichkeit reift. Häufig aber entwickelt sich ein chronisches Leiden mit Folge- und Begleiterkrankungen. Die Betroffenen fehlen häufiger am Arbeitsplatz und werden dreimal häufiger arbeitslos als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Symptome der sozialen Phobie
- Angst, bezogen auf konkrete oder auch sämtliche soziale Situationen
- Vermeidung sozialer Situationen bis hin zur Isolation
- rasches Erröten, leise Stimme, verlangsamtes Sprechen, Stocken bzw. Stottern, Zittern, Schweißausbrüche in sozialen Kontakten
- andere psychische und körperliche Symptome der Angst in entsprechenden Situationen
Emetophobie
Wohl jeder ekelt sich vor dem Erbrechen, doch bei Menschen, die an einer Emetophobie leiden, ist diese Angst krankhaft und unnatürlich. Schon allein der Gedanke daran, löst Panik und Angst aus.
Symptome der Emetophobie
Stark ausgeprägte Angst
- vor dem eigenen Erbrechen
- vor auftretender Übelkeit, da diese zu Erbrechen führen kann
- davor, das Erbrechen bei anderen mitzuerleben müssen
- mit dem Thema Erbrechen konfrontiert zu werden (in Gesprächen, in den Medien)
- vor Krankeitserregern, die Erbrechen auslösen können
Spezifische Phobien
Eine spezifische Phobie bezeichnet eine unangemessene und exzessive Furcht vor ganz bestimmten Situationen, Lebewesen oder Ereignissen.
Beispiele für spezifische Phobien:
- Höhenängste
- Phobien vor bestimmten Tieren (Spinnen, Schlangen, Ratten)
- Angst vor Naturereignissen (Gewitter, Dunkelheit)
- Phobien vor Ärzt*innen bzw. Zahnärzt*innen oder Spritzen
Grundsätzlich können sich Phobien auf jedes beliebige Objekt oder Ereignis beziehen. Dabei vermeidet die betroffene Person das Objekt oder Ereignis, vor dem sie sich fürchtet. Die spezifischen Phobien entstehen meist in der Kindheit oder im frühen Erwachsenenalter. Ohne Behandlung können sie über Jahrzehnte bestehen. Nicht jede spezifische Phobie muss behandelt werden. Wenn die betroffene Person stark darunter leidet, sollte die Erkrankung jedoch behandelt werden.
Angst bei anderen seelischen Erkrankungen
Die meisten seelischen Erkrankungen können Ängste auslösen. Dabei ist wichtig zu unterscheiden, ob die Ängste im Zusammenhang mit der jeweiligen Erkrankung auftreten oder eine eigenständige Angststörung darstellen.
Angst bei Depressionen
Depressionen gehen oft mit bestimmten Ängsten einher, wie Verlustängsten, Verarmungsängsten, Krankheitsängsten und schuldhafte Ängsten. Manchmal tritt auch eine ängstlich-getriebene Depression auf, begleitet von quälender Unruhe und diffusen Ängsten.
Angst bei psychosomatischen Erkrankungen
Psychosomatische Störungen sind körperliche Beschwerden ohne organische Ursache, die aus psychischen Konflikten oder Problemen resultieren. Hier stehen vor allem bei Hypochondrie Ängste im Vordergrund, in denen Betroffene befürchten, schwer krank zu sein, obwohl keine medizinischen Gründe dafür vorliegen.
Angst bei Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen
Stress, kritische Lebensereignisse und Traumata können Angststörungen auslösen, wie akute Belastungsreaktionen (kurzfristig), Anpassungsstörungen (bis zu 6 Monate) und posttraumatische Belastungsstörungen (über 4 Wochen). Belastende Ereignisse variieren von Alltagsstress bis hin zu traumatischen Erlebnissen.
Angst bei Persönlichkeitsstörungen
Bestimmte Persönlichkeitsstörungen, wie die ängstlich-vermeidende und abhängige Persönlichkeitsstörung, beinhalten Ängste vor Kritik und Zurückweisung.
Angst bei Zwangserkrankungen
Menschen mit Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen erleben starke Ängste und körperliche Symptome, wenn sie ihren Zwängen nicht nachgeben. Die Zwangshandlungen sollen dazu dienen, diese Ängste zu neutralisieren.
Angst bei Psychosen
Schizophrene Psychosen mit wahnhaftem Erleben und Halluzinationen können Ängste auslösen, etwa das Gefühl, von äußeren Mächten verfolgt zu werden.
Angst bei körperlichen Erkrankungen
Ängste treten oft bei körperlichen Erkrankungen auf, wie Schilddrüsenerkrankungen, hormonelle Störungen, Herzkrankheiten, Lungenembolie, Erkrankungen des zentralen Nervensystems, Migräne, Atemwegserkrankungen, Allergien und Arthritis. Bei Angst aufgrund körperlicher Erkrankungen ist die Behandlung der Ursache vorrangig. Wenn die Ängste fortbestehen, kann aber auch eine psychotherapeutische Behandlung und Medikation erforderlich sein.
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Therapie der Angststörung
Vor der eigentlichen Behandlung ist es wichtig, die Störung richtig einzuordnen und zu akzeptieren. Denn oft interpretieren Ärztinnen und Ärzte sowie Betroffene die Symptome einer Angststörung falsch. Für eine Therapie ist deshalb eine richtige Diagnose entscheidend. Bei leichteren Ängsten kann eine Beratung, etwa in einer psychosozialen Beratungsstelle, oder ein Coaching ausreichen. Bei ausgeprägten oder langfristigen Angststörungen ist in der Regel eine Psychotherapie notwendig.
Körperlich aktiv sein hilft bei Angst
Bei Angst und depressiven Zuständen hilft es, körperlich aktiv zu sein. Wer sich ausreichend bewegt, fühlt sich wohler, entspannter und zugleich dynamischer. Die Stimmung verbessert sich, Erregungszustände lassen nach, Ärger und Sorgen gehen zurück. Die Angst wird gemildert. Deshalb haben Bewegungstherapien einen hohen Stellenwert in psychosomatischen Kliniken.
Beste Effekte haben Ausdauersportarten: Laufen, Wandern, Walking, Radfahren und Schwimmen. Aber auch Gartenarbeit kann gut tun. Egal was: Bewegen Sie sich regelmäßig mindestens eine Stunde am Stück, am besten an der frischen Luft und bei Tageslicht.
Gerade ängstliche Menschen müssen sich jedoch oft überwinden, um körperlich aktiv zu werden. Hier können andere unterstützen und motivieren.
Entspannungsübungen können angstbedingte Anspannungen und muskuläre Fehlhaltungen lindern und darüber hinaus dabei helfen, ängstliche Gedankenmuster zu durchbrechen.
Probieren Sie aus, welches Verfahren am besten zu Ihnen passt. Die bekanntesten Entspannungsverfahren sind
- Autogenes Training
- Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson (PMR)
- Yoga Meditation
Begleitende Maßnahmen
- Physikalische Anwendungen, etwa mit Wasser und Wärme, sowie Kneipp-Kuren und medizinische Bäder können zur allgemeinen Kräftigung, Entspannung und Angstlösung beitragen.
- Auch Selbsthilfegruppen können unterstützen. Informieren Sie sich beim sozialpsychiatrischen Dienst, bei Beratungsstellen oder bei Ihrer Krankenkasse über geeignete Angebote.
Behandlung mit Medikamenten
Angststörungen sollten vorrangig psychotherapeutisch behandelt werden. In Einzelfällen und bei schweren Angsterkrankungen ist jedoch manchmal zunächst eine Behandlung mit Medikamenten nötig.
Bestimmte Psychopharmaka lindern besonders körperliche Symptome der Angst. Früher wurden Ängste häufig mit Hilfe von Beruhigungsmitteln behandelt. Diese sind zunächst sehr wirksam, machen aber bei längerer unkontrollierter Einnahme abhängig.
Heute werden nur noch wenige Angststörungen mit Beruhigungsmitteln behandelt. Stattdessen nutzen Ärzt*innen die angstlösende Wirkung von unterschiedlichen neueren Antidepressiva – vor allem der sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI).
Psychotherapie
Für eine erfolgreiche Behandlung ist es wichtig, zu verstehen, dass die Angst aufrechterhalten wird, wenn bestimmte Dinge oder Situationen vermieden werden. Wenn Sie angstbehaftete Situationen meiden, weichen Sie in diesem Moment zwar der Angst aus – langfristig verstärkt das aber Ihre Beschwerden. Die Angst kann sich so weiter ausbreiten und sich generalisieren. Ziel einer Therapie ist es also, das Vermeidungsverhalten zu durchbrechen und aufzugeben.
Bei der Behandlung werden weitere Aspekte geklärt, die mit der Angststörung zusammenhängen. Expert*innen sprechen hier etwa von einem möglichen Krankheitsgewinn: Die Störung hat manchmal auch die Funktion, Alleinsein zu vermeiden, Bezugspersonen zu binden, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu gewinnen und unangenehmen Aktivitäten auszuweichen.
Wann brauche ich eine psychotherapeutische Behandlung?
Eine professionelle Therapie ist dann erforderlich, wenn Sie Ihre Ängste und die daraus resultierenden Belastungen alleine nicht mehr gut bewältigen können.
Zeichen für eine behandlungsbedürftige Angststörung sind
- immer längere Dauer und immer häufigeres Auftreten der Symptome
- eine selbstständige Überwindung der Angststörung auf Dauer ist nicht möglich
- unangemessene, nicht situationsadäquate Angstzustände
- Überkompensationsversuche im zwischenmenschlichen, beruflichen oder Freizeitbereich
- Zunahme des Vermeidungs- und Rückzugsverhaltens mit lsolationsgefahr
- Selbstbehandlungsversuche (z.B. mit Alkohol, Medikamente, Nikotin, Drogen)
Welche Therapie ist für mich geeignet?
Es gibt viele Behandlungsverfahren. Das macht es nicht einfach, die richtige Methode zu finden. Wichtig für eine erfolgreiche Behandlung sind immer folgende Punkte
- Erkennen, verstehen und akzeptieren der Angst als Störung
- Selbsthilfemaßnahmen: Aktive Mitarbeit der Betroffenen
- gezielte Psychotherapie durch qualifizierte Psycholog*innen oder Ärzt*innen
- bei Bedarf spezielle Medikamente zur Angstreduktion
Eine Therapie verlangt von Ihnen eine hohe Motivation, etwas zu verändern. Ängste können nur erfolgreich behandelt werden, wenn Sie sich den angstauslösenden Situationen stellen. Dafür brauchen Sie ausführliche Informationen: über die Entstehung der Störung, über körperliche Vorgänge, Krankheitsmodelle und Behandlungsmöglichkeiten. Zu wissen, womit man es zu tun hat, hilft bereits vielen Betroffenen.
Welche psychotherapeutischen Verfahren gibt es?
Alle hier vorgestellten Verfahren können Sie bei der Behandlung Ihrer Angststörung unterstützen. Welche Behandlungsform für Sie am besten geeignet ist, können Sie nur durch Ausprobieren und eigene Erfahrungen feststellen. Wichtig ist: Suchen Sie sich zeitnah Hilfe!
Tiefenpsychologisch orientierte Psychotherapie
Diese Therapiemethode geht davon aus, dass seelische Störungen durch unbewusste, in der Kindheit entstandene Konflikte verursacht sind. Diese wirken sich darauf aus, dass Probleme im späteren Leben nicht angemessen und „erwachsen“ gelöst werden können. Im Vordergrund dieser Therapie steht deshalb das Erkennen, Aufdecken und Auflösen dieser Konflikte. Konflikte verlieren ihre krankmachende Bedeutung, wenn sie aus erwachsener Sicht neu beurteilt und dadurch überflüssig werden.
Kognitive Verhaltenstherapie
Bei der kognitiven Verhaltenstherapie wird angenommen, dass seelische Störungen durch Lernprozesse, bestimmte Umgebungsbedingungen und sogenannte kognitive (gedankliche) Verzerrungen bedingt sind.
Im Vordergrund stehen daher die Veränderung des Verhaltens und der Lebensbedingungen in verschiedenen Bereichen und eine Korrektur der kognitiven Fehlinterpretationen. Konfrontationsübungen zielen darauf ab, sich den angstauslösenden Situationen zu stellen, bis die Angst nachlässt. So soll erreicht werden, dass die angstauslösenden Situationen neu bewertet werden.
Systemische Therapie
Systemisches Arbeiten verfolgt den Ansatz, dass Menschen stets versuchen, sich so an ihre Umwelt anzupassen, dass diese in ein Gleichgewicht kommt, selbst wenn dies oft ein Leiden zum Preis hat. Im systemischen Denken kann eine Therapie oder Beratung nicht darauf zielen, Veränderungen von außen herbeizuführen. Sondern es ist nur möglich, Impulse in ein System zu geben, das dadurch in Bewegung kommt und möglicherweise neue, für alle Beteiligten positive Konstellationen findet.
Körperorientierte Verfahren
Grundidee körperorientierter Verfahren ist es, durch systematische körperliche Übungen die Wahrnehmung des eigenen Körpers zu steigern, die Aufmerksamkeit für Körpervorgänge bewusst zu lenken und Körperprozesse durch gezielte Übungen zu regulieren.
Humanistische Ansätze
Hierbei konzentriert man sich auf die Selbstheilungskraft des Menschen. Ziel ist es, Wahrnehmungen und Erleben im Hier und Jetzt zu aktivieren und das Wachstum der Persönlichkeit im Rahmen zwischenmenschlicher Beziehungen anzuregen.